Abseits, auf den Gleisen

Das neue große Buch von Franz Weinzettl ist eine Liebesgeschichte sondergleichen. Ein Mann und eine Bahnstrecke. Das Geliebte ist ein Ort: ein Gleis und die Landschaft, in der es verläuft. Der da unterwegs ist in seiner Herkunftsgegend – einem Hinterland, einer Zwischen- und Abseitsgegend –, ist oft der einzige Fahrgast im Zug auf dieser kleinen Nebenbahn. Eines Tages, eher früher denn später, wird man sie mangels Rentabilität wohl einstellen.

Für ihn aber, den Wanderer entlang der Strecke, den Schwellengeher, ist diese Bahn vor allem eine Linie, die etwas in seinem Leben verbindet und wie eine Spange zusammenhält. »Nichts die Welt Bewegendes konnte er von da berichten – nur davon, was seine Welt (ihn) bewegte, wenn er da ging.«

In einer traumhaften Kommunion von äußerem Geschehen und innerem Erleben, einer wunderbaren Durchlässigkeit zwischen Innen- und Außenwelt, stiftet der Erzähler im zitternd genauen Notieren der Einzelheiten den großen Zusammenhang – für eine Ortsgeschichte, wie man sie noch nicht gelesen hat, eine Hinterland- und Hinterweltgeschichte, beispielhaft und universell.

Es ist, einmal mehr, die unverwechselbare Kunst von Franz Weinzettl, den Leser, die Leserin, von Notiz zu Notiz, von Schwelle zu Schwelle teilhaben zu lassen am größten aller Abenteuer, das da heißt: Schauen, Fühlen, Denken und sprachgewordene Welt.

Wehmütig würde er da einmal gehen und sich an die Zeit erinnern, da hier noch ein Zug gefahren war? (Damals, als seine Mutter noch gelebt, als sie ihn noch zum Zug gebracht und vom Zug abgeholt hatte! Damals, als er noch … Und, und, und …) Indem er es sich vorstellte, geschah es schon jetzt immer wieder. (Sentimental sein heiße: zur falschen Zeit das richtige Gefühl haben, hatte ihm einmal jemand erklärt.)

Würde die Bahnstrecke spätestens dann aufgelassen werden, wenn der letzte der Fahrer in Pension ginge? Eine Vorstellung, die ihm gefiel: wenn schon ein Ende, dann so.

Wieder sein Tagtraum, er hätte Satz um Satz hintereinander reihen können wie Schienenschwellen, alle durch so etwas wie zwei Schienen, oder wenigstens einer, miteinander verbunden. ›Abfahrt‹ von dem Satz Soundso; ›Ankunft‹ bei dem Satz Soundso. Die eine Schiene er. Und die andere? (Jene anfangs nur phantasierte junge Frau, die eines Tages sozusagen ›während der Fahrt‹ zustiege?)


Franz Weinzettl, »Abseits, auf den Gleisen«
Originalausgabe
280 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 23,70 inkl. MwSt
ISBN 978-3-902113-55-9
Erschienen im Januar 2008


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