6. März 2023
Anja Utler erhält den Ernst-Jandl-Preis für Lyrik 2023
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer: „Der Ernst-Jandl-Preis des Jahres 2023 geht an eine Sprachkünstlerin, die in ihren lyrischen Texten Erfahrungs- und Resonanzräume öffnet, in denen die Koordinaten von Welt, Sprache und Ich verschoben werden: an Anja Utler. Anja Utler, die in ihren Themen und Stoffen ganz und gar gegenwärtig ist und in der Tradition der modernen Lyrik schreibt, versteht es, in ihrer literarischen Arbeit an die Anfänge der Dichtung zu erinnern, an Klang, Rhythmus und Gesang, an die große Sprach- und Sprechkunst des Gedichts, in der es immer auch um Existenzielles geht. Sie ist eine einzigartige Dichterin, Übersetzerin, poetisch denkende Essayistin und eine Autorin, die in der Kunst des Vortrags und der Performance neue Wege geht.“
Der Ernst-Jandl-Preis für Lyrik, gestiftet vom österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, ist mit 15.000 Euro dotiert und wird seit 2001 alle zwei Jahre vergeben. Der Preis wird im Rahmen der Lyriktage in Neuberg an der Mürz (Steiermark) überreicht, die dieses Jahr von 23. bis 25. Juni stattfinden werden.
Wir freuen uns riesig mit unserer Autorin, deren neues Buch Es beginnt. Trauerrefrain gerade in Druck ist und Anfang April 2023 erscheinen wird.
23. November 2022

Wir trauern um unsere Autorin GWENDOLYN LEICK, die am 19. November 2022 einem Krebsleiden erlag, dem sie viele Jahre lang, bis zuletzt, mit beeindruckend stoischer Haltung begegnete.
Zum literarischen Schreiben fand Gwendolyn Leick erst sehr spät. Aufgewachsen in Weißkirchen (Steiermark) und Graz und ab 1975 in London lebend, erfuhr sie internationale Anerkennung zunächst durch ihre wissenschaftliche Arbeit als Verfasserin enzyklopädischer Werke über den historischen Nahen Osten, die bis heute als Standardwerke der Altorientalistik gelten. Im Alter von 52 Jahren begann sie mit dem Gewichtheben, worin sie u.a. drei Weltmeistertitel errang. Die Filmemacherin Ruth Kaaserer porträtierte die ungewöhnliche Athletin in dem preisgekrönten Dokumentarfilm Gwendolyn (2017).
Erst in den letzten zwei Jahren ihres Lebens entstanden die autobiografischen Bände Franckstraße 31 (erschienen im November 2021) und In der Eselgrube (September 2022). In diesem literarischen Vermächtnis erzählt sie mehr von anderen Menschen als von sich selbst: warmherzig, intellektuell, einfühlsam, klug, versuchend, dem Leben jedes Einzelnen gerecht zu werden, stets auf der Seite der sozial Schwächeren. Doch gerade indem sie über andere schrieb, wurde ihre eigene, große Persönlichkeit deutlich.
Gwendolyn war nicht mehr die nötige Zeit vergönnt, um die Resonanz einer größeren Leserschaft zu erfahren. Aber sie wusste, dass Bücher, wie alle Zeugnisse der Schriftkultur, ihre eigenen Schicksale haben und oft lange nach ihrem Entstehen in anderen Menschen etwas auszulösen vermögen. Einige Leser:innen, deren unbestechliches, kritisches Urteil sie schätzte, brachten ihre Bewunderung für diese Texte zum Ausdruck – was ihr viel bedeutete: „Spätes Glück, noch süßer!“, schrieb sie in einer der letzten Nachrichten an uns. Noch in den letzten Wochen, buchstäblich bis ans Totenbett, arbeitete sie an einer Übersetzung der Essential Stories von David Plante, ohne Illusion, dass sie deren Erscheinen noch erleben könnte, vielmehr „sub specie aeternitatis“.
Am vergangenen Samstag, wenige Tage nach Abschluss dieser Arbeit, starb Gwendolyn Leick in einem Hospiz in London im Kreis ihrer Angehörigen.
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15. März 2022
Der Band Schlüssel zum Offenen von Margret Kreidl wurde von der Jurorin Daniela Strigl ausgewählt für die Lyrik-Empfehlungen 2022.
1. September 2021
Unsere Autorin Margret Kreidl erhält den diesjährigen Preis der Stadt Wien für Literatur. Die offizielle Preisverleihung wird am 10. Mai 2022 im Festsaal des Wiener Rathauses stattfinden. Wir gratulieren herzlich!
21. März 2021
Der Band kommen sehen von Anja Utler wurde vom Juror Nico Bleutge ausgewählt für die Lyrik-Empfehlungen 2021.
11. Februar 2021
Das Wien Museum zeigt die Open-Air-Ausstellung Almost. Wiener Weltreisen, 1873 / 2020, in der Bilder der Wiener Weltausstellung von 1873 mit Fotografien von Wojciech Czaja in Bezug gesetzt werden. Zu sehen bis 23. Mai 2021 am Bauzaun des Wien Museums am Karlsplatz.
16. Januar 2021
Anja Utler hat einen persönlichen Nachruf auf ihre am 8. Januar 2021 verstorbene Freundin und Kollegin Barbara Köhler verfasst. Sie finden ihn auf der Website von literaturgebiet.ruhr.
Presseinformation 11. Januar 2021
Die Dichterin und Künstlerin Barbara Köhler ist tot
nichts ist vollkommen aber alles
ist möglich nichts geht wirklich
zuende
aus: cor responde (1998)

Am 8. Januar 2021 ist nach einem lange geduldig bekämpften Leiden die Dichterin und Künstlerin Barbara Köhler gestorben. Damit ist eine der bedeutenden Stimmen der deutschsprachigen Wortkunst zu früh verstummt. Das Schaffen der Lyrikerin, Essayistin, Installationskünstlerin und Übersetzerin bleibt als ein wertvolles Gesamtwerk zurück, das bereits vielfach geehrt wurde, u. a. mit dem Clemens-Brentano-Preis (1996), dem Literaturpreis des Ruhrgebiets (1999), dem N. C. Kaser-Lyrikpreis (2005), dem Spycher-Literaturpreis (2007), dem Joachim-Ringelnatz-Preis (2008), dem Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung (2009), dem Poesiepreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft (2009), dem Peter-Huchel-Preis (2016), dem Alice Salomon Poetik Preis (2017) sowie dem Ernst-Meister-Preis (2018).
Barbara Köhler wurde am 11. April 1959 geboren und wuchs im sächsischen Penig auf. 1976 bis 1979 machte sie in Plauen eine Ausbildung mit Abitur zur „Facharbeiterin für textile Flächenherstellung“, eine Lehre, die oft symbolisch für die spätere Wortweberin aufgefasst wurde. Nach dem Abschluss zog sie nach Chemnitz und arbeitete dort in verschiedenen Berufen, u. a. am Theater. 1985 bis 1988 studierte sie am Institut für Literatur Johannes R. Becher in Leipzig. Seit 1994 und bis zu ihrem Tod lebte sie in Duisburg.
Barbara Köhlers lyrische und essayistische Werke erschienen unter anderem bei den Verlagen Suhrkamp, Dörlemann und Lilienfeld, zuletzt vor allem in der Edition Korrespondenzen. Sie sah sich selbst „als beobachtender teil des systems, als lyrikerin, übersetzerin, im genus femininum, in einem spiel zwischen den sprachen“ (aus: Neufundland, 2012). Sie übersetzte u. a. Gertrude Stein und Samuel Beckett. Und seit ihrem ersten Gedichtband Deutsches Roulette (1991) bis hin zu den 42 Ansichten zu Warten auf den Fluss (2017) verbinden sich in ihrer Lyrik und Prosa ausgehend von einer selbst auferlegten strengen Form Alltagsbeobachtung, Wissenschaft und Poesie zu einzigartigen rhythmisch-gesanglichen Untersuchungen von Sprachen und Sprachräumen, die tief hinein in das faszinierende Gewebe der mythischen, historischen und alltäglichen Querverbindungen führen. Ihre Leitthemen sind dabei immer wieder die Odysseus-Sage und die Orte, in die Barbara Köhler durch ihr künstlerisches Leben geführt wurde, wie z. B. London, Istanbul, Portugal und das Ruhrgebiet. Sie folgte zahlreichen Einladungen (u. a. 1995 Stadtschreiberin von Rheinsberg, 1997 Writer in Residence an der University of Warwick, 2009 Max Kade Writer am Oberlin College, Ohio, und Poet in Residence an der Universität Duisburg-Essen sowie 2013 Artist in Residence an der Cornell University, Ithaca NY) und wurde mit Poetikdozenturen geehrt (2012 Thomas-Kling-Poetikdozentur der Kunststiftung NRW an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 2016 Ernst-Jandl-Poetikdozentur der Universität Wien). Zuletzt war sie Gastprofessorin für Literarisches Schreiben an der Kunsthochschule für Medien Köln.
Die lyrische und essayistische Kunst Barbara Köhlers wurde immer begleitet von Textinstallationen, „Schriftbildern“, Audio-Arbeiten und Multiples sowie temporären und ständigen Arbeiten im öffentlichen Raum und in privaten Gärten. Das Interesse am Organischen in den Sprachen findet sein Äquivalent in der akribischen Liebe zur Pflanzenwelt und zur Gartenkunst, und während in ihren Texten Räume zu Sprache werden, bringt sie mit ihren Installationen und Bildern Texte in Räume, sie nannte es einmal „Schrift stellen“.
Um einen Text im Raum entspann sich auch eine heftige Diskussion, als 2017 von der Fassade der Alice Salomon Hochschule Berlin ein Gedicht entfernt werden sollte. An der Stelle des Textes sollten fortan in regelmäßigen Abständen andere Texte die Fassade schmücken, beginnend mit einem von Barbara Köhler. Die Verhärtungen in der Diskussion über die Gründe für die Entfernung des Gedichtes waren nicht aufzulösen, aber die Lösung, die Barbara Köhler schließlich erfand, zeigt ganz beispielhaft ihren Charakter und den Charakter ihrer Kunst: Das vormalig auf der Wand befindliche Gedicht scheint weiterhin durch, und der neue, darüberliegende Text zieht freundlich beharrend und zur Versöhnlichkeit einladend die Bilanz – „WÜNSCHEN SIE IHNEN / BON DIA GOOD LUCK“.
So ist ihr Werk, wie sie als Mensch war: bescheiden im Persönlichen, feinnervig im Ästhetischen, standfest in der Sache, aber friedliebend im Geist, auf verspielte Art hochgelehrt und nicht zuletzt sympathisch humorvoll. Wir werden sie sehr vermissen.
Kunststiftung NRW, Düsseldorf
Edition Korrespondenzen, Wien
Galerie m, Bochum
Lilienfeld Verlag, Düsseldorf
Museum DKM, Duisburg