dass nicht

Anja Zag Golob

Aus dem Slowenischen von Liza Linde

Anja Zag Golobs sorgfältig durchkomponierter Gedichtband ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Liebesschmerz, der Leere und Ungewissheit nach einer zerbrochenen Beziehung. Vorab steht ein Zyklus über die sechs Sinnesorgane, wodurch Golob den fünf bekannten (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Finger) noch einen sechsten Sinn hinzufügt, der die vorangehenden vereint als eine Art Sammelplatz der emotionalen Zustände und der, anders als die andern Sinne, lange nachschwellt. Nur langsam lässt sich die Einheit aus konkreter Einsamkeit und Sehnsucht nach der einstigen Zweisamkeit mit der Partnerin auftrennen. Erst ab der Mitte des Bandes beginnt langsam die endgültige Abkehr von der Beziehung, und gleichzeitig vertieft sich die Krise rund um die nun endgültig verlorene Welt.

In ihren Gedichten zeichnet Anja Zag Golob nicht nur die Liebesschmerzen und den langwierigen Befreiungsprozess präzise nach, sondern macht dank ihrer Sprach- und Gestaltungskraft den Schmerz und seine verschiedenen Stadien fast physisch erfahrbar: durch harte Schnitte, zerrissene Verse, willkürlich getrennte Worte, insistierende Wortwiederholungen und in Klang- und Rhythmusvariationen.

DASS NICHT

dass nicht mehr kommen wird
dass nicht dass mich brennt
dass sprieße sprießt aber
nicht erwächst nicht austreibt
wurzeln keine stiele keine blätter
nicht blüht verwelkt dass nicht
mehr kommt dass alle
alles was ist was ist
retuschierte plakate zwölf
farben ausgemergelte menschen
in bussen krächzende
vögel töne ohne terzen
überbelichtete nächte branden
an morgendämme lange
lange leer lange
schädel und dass alles
alles was ist was ist
dass mich brennt dass nicht mehr kommt
dass mehr nicht kommt dass nicht


Anja Zag Golob, »dass nicht«. Gedichte
Deutsche Erstausgabe
Aus dem Slowenischen von Liza Linde
76 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 20,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-73-1
Erschienen im November 2022


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