Aus dem Ungarischen von Zsuzsanna Gahse
Zweisprachige Ausgabe
»Wenn einer in Rom, Paris oder New York ankommt, sieht er in den Gesichtern um sich herum das Dörfliche, das Ende der Welt. Als sei man am einzigen Ort, wo man sein könnte, nirgendwo sonst.« Denn »bei genauer Betrachtung« – und davon handeln die welthaltigen Gedichte von István Vörös – zeigt sich das Ländliche im Urbanen, das Ferne im Nahen, das Mädchen in der Großmutter, die Metro wird zum »rasenden Erddrachen«, das gelbe Taxi zum »Nachen«, sein Fahrer »Charon persönlich«.
Vörös’ Verwandlungsspiele bleiben ganz nah an der Realität, ja sie machen diese erst sichtbar, indem sie unsere eingeübten Wahrnehmungsmuster aufbrechen – in klarer Sprache und konzisen Bildern, die uns nicht zur Ruhe kommen lassen.
DIE LEERE GRAPEFRUIT
Das Werk der Fäulnis konnte
ich einfach nicht verstehen.
Auf dem Heizkörper lag die halbe
Grapefruit leer, trocken und hart. Schon
gut so. Habe sie mit Wasser gefüllt –
dann trocknete sie wieder. In Ordnung.
Doch das zweite Mal weich geworden,
verlor sie die Form und war schwarz
gebrannt. Stinkend löste sie sich auf,
belastete das Zimmer mit dem
leidigen Geruch ihrer Gegenwart.
Wenn ich mal fortging, lief das Wasser
aus. Unter der Heizung schimmelte
der Kunststoffboden. Im Rundfunk
gab es unentwegt Nachrichten.
Die Veränderungen, damals
schon zum Greifen nahe,
verschwanden nicht, als ich
die Grapefruit fortwarf.
István Vörös, »Die leere Grapefruit«. Gedichte
Deutsche Erstausgabe. Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Ungarischen von Zsuzsanna Gahse
104 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 17,40 inkl. MwSt
ISBN 978-3-902113-34-4
Erschienen im September 2004