Im Gasometer

Sara Ventroni

Aus dem Italienischen von Julia Dengg

Die Zeit der Gasometer ist lang vorbei. Ihre ursprüngliche Funktion haben sie eingebüßt, und doch fasziniert uns ihr architektonisches Gebilde nach wie vor. Als Relikt einer Moderne, in der die Arbeit greifbarer und körperlicher war als heute, stehen sie einer Welt gegen­über, die zusehends immateriell, virtuell und spekulativ wird.

Sara Ventroni nähert sich dem Gasometer aus unterschiedlichsten Perspektiven und stellt überraschende Bezüge zu Themen der Kunst, Philosophie und Religion her – etwa zu Marcel ­Duchamps »­Großes Glas«, Herman ­Melvilles »­Moby-Dick« oder zur Kabbala: »­Alles im Gasometer, nichts außerhalb des Gasometers.«

Entstanden ist dabei eine anregende literarische Meditation, in der sich der Erfahrungsraum zu einem Denkraum weitet. Vielgestaltig in der Form, mit Gedichten, Fotos, Skizzen, Essays und einer Erzählung, vermessen Ventronis Texte die thematischen Möglichkeiten jenes ausgedienten zylindrischen Industriebaus, dessen Offenheit letztlich nur fragmentarisch beizukommen ist.

ERINNERUNGEN

als wir im all waren
gab es keine zeit, nichts fiel
ins gewicht. keine anziehungskraft
masselos alles und ohne fall.
der kopf war kein vers:
was dort auf dem kopf steht
war unübersetzt hier drüben.

all diese dinge die in die ären
drängten, ins metallzeitalter:
gold eisen stahl blei
das plastikmaterial.

nun lebt man im raumanzug: der mund
über den schlauch mit der lunge
verbunden, unnatürlich: man muss
die gebrauchsanweisung lesen.

und weil das gedächtnis fixiert ist auf loslösung
schweben viele in gefahr – mit graziösen gesten
dem primitiven gedenkend –
durchzuglühen.


Sara Ventroni, »Im Gasometer«
Deutsche Erstausgabe
Aus dem Italienischen von Julia Dengg
140 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 20,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-13-7
Erschienen im März 2016


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