Ins Abstrakte treiben

Rosmarie Waldrop

Aus dem Amerikanischen von Elfriede Czurda und Geoff Howes
Zweisprachige Ausgabe

Von der Goldmünze mit dem Fürstenkopf über das Papiergeld bis hin zum digitalen Geldstrom heutiger Bezahlsysteme verläuft die Entwicklungslinie einer zunehmenden Entmaterialisierung des gesellschaftlichen Lebens. Auch von der Erfindung der Null und der Entdeckung des Fluchtpunkts in der Malerei führen ähnliche Linien in unsere zusehends durch 0 und I bestimmte Gegenwart. Diese Tendenz zum Abstrakten wird in Rosmarie Waldrops Buch poetisch untersucht, indem sie die von Brian Rotman beschriebenen Beobachtungen aus der Position einer Frau neu artikuliert – einer Frau, die ihren eigenen Körper ins Spiel bringt und mitbedenkt. Er ist der unhintergehbare Endpunkt des Abstrahierens, ein konkreter Körper, den es nach anderen Körpern verlangt.

Es ist eine drängende, existentielle Frage, denn die Autorin verhandelt hier auch ihr eigenes Medium: »sobald erst einmal die metapher ausgeschöpft ist, sozusagen ihre prägung verloren hat, funktioniert sie wie bloßes metall, nicht länger münze. sagt nietzsche. als ob es dasselbe wäre, ein buch zu greifen und seinen inhalt zu begreifen. es gegen meine stirn zu reiben, dass es hineingeht.«

Waldrops poetische Sprache, sinnlich und abstrakt, schlägt aus dieser Engführung Funken, die irritieren und ein Feuer­werk an Denkanstößen bieten. Ein grandioser Text, der zugleich tut, was er verhandelt.

Die Finger der rechten Hand wandern über die Scham, und die Finger der linken betasten die Brustwarzen.

Unwahrscheinlich, unerwartet, denkanregender Stoff. Die Idee des Nichts. Setz dich daneben. Setz dich neben Sokrates, der behauptete, er erkenne es. Setz dich neben bezeichnendes. Nichts? Oder bloß nicht Ding? Ein Wirrwarr-Zyklop. Einäugig. O.

Die Nachbarn sagen, was für ein schönes Kind.

Und jetzt ist’s Zeit, für einen Blick auf die Malerei. Deren Punkt geflüchtet ist. Und Geld nicht mehr eine Münze zum In-den-Mund-­Stecken. Und Draufbeißen. Willkommen das Abstrakte samt seiner Beklemmung. Genau dort, wo die wichtigen Dinge geschehen. Die Erfahrung ist bloß zum Jux. Die siehst du im Fernsehn.


Rosmarie Waldrop, »Ins Abstrakte treiben«
Deutsche Erstausgabe. Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Elfriede Czurda und Geoff Howes
112 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 19,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-17-5
Erschienen im Dezember 2015


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