Mit »Mare Nostrum« legt Erich Wolfgang Skwara nach einer Pause von fast zehn Jahren endlich wieder einen neuen Roman vor. In der französisch-italienischen Grenzstadt Menton treffen einander für drei Tage der Erzähler und eine italienische Pianistin. Sie haben sich vor einem Vierteljahrhundert bei den Sommerkursen des Mozarteums in Salzburg kennengelernt, seither aber nicht mehr gesehen. Die damalige Nähe besaß Zärtlichkeit, blieb aber ein unbestimmtes Gefühl. Doch nun, nach 27 Jahren, entflammt rasch und unabweisbar eine heftige Leidenschaft, obwohl schnell klar ist, sie werden kein Paar mehr werden, sie sind beide längst »zu sehr weltumgeben oder zu sehr allein«. Doch dann fordert die Pianistin noch etwas ganz anderes von ihm.
Diese Episode ist kunstvoll mit zwei weiteren mit Menton verbundenen Geschichten verflochten: Denn mit 16 Jahren ist der Erzähler – angelockt vom südlichen Licht – von Zuhause ausgerissen, um hier seinen Brieffreund Jeannot zu besuchen, und mit seiner »letzten Liebe« wird er ebenfalls wieder hierher reisen.
Skwaras fein austariertes Sensorium für Stimmungen, Obsessionen und zeitliche Überlagerungen, seine suggestive Sprach- und Bildkraft fügen sich in »Mare Nostrum« zu einer großen epischen Dichtung rund um die Frage, ob es möglich ist, Versäumtes nachzuholen, ob eine Lebenslücke im Nachhinein gefüllt und eine Korrektur gesetzt werden kann.
Der Bahnhof von Menton jedoch ist ein Stück der Welt, und sein Bestehen straft das Nichts Lüge. Es gibt Bahnhöfe zum Ankommen und Abfahren, die allen Richtungen offenstehen und ihrem Zweck dienen. Es gibt andere, die nur zur Ankunft oder Abreise geschaffen scheinen; der Bahnhof von Menton gehört jenen, die ankommen. Wer hier mit dem Koffer auf einem Bahnsteig steht und einen Zug erwartet, der ihn für immer forttragen soll, ist ein Verräter und ein Deserteur: Niemand verlässt einen zur Ankunft bestimmten Ort ungestraft. Wer hingegen hier aussteigt und bleiben möchte, erfährt Willkommensein und Gestreicheltwerden, das aus einem Anhauch milder Luft beim Hinaustreten auf den Vorplatz des Bahnhofes und aus dem Zwitschern der in den dichten Baumkronen verborgenen Vögel besteht. Angenommen- und Aufgehobensein gelten nicht nur der ersten, sondern jeder Ankunft, die folgen wird. Es wird nicht schwächer, es nimmt zu mit jeder Wiederkehr.
Erich Wolfgang Skwara, »Mare Nostrum oder Ein Bahnhof für jene, die ankommen«
Roman
Originalausgabe
208 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 22,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-46-5
Erschienen im September 2020