Obachter

E. A. Richter

Gedichte

Was ist ein Obachter? Und wie unterscheidet er sich vom Beobachter? Der Beobachter richtet seine Wahrnehmung gezielt auf die Dinge. »Obachter« hingegen »wird man nicht freiwillig, es springt einen an« (Anne Carson). Vom Geschehen erfasst, folgt der Obachter den Impulsen seines Bewusstseins. In den unkontrolliert kaskadierenden Bild- und Gedankenfolgen brechen verschüttete Momente auf.

Im Zentrum von E. A. Richters »Obachter«-Gedichten steht der alternde Körper mit seinen noch immer jungen Erinnerungen und vitalen Empfindungen. Meist ist es unscheinbar Alltägliches – ein Morgenschimmer, der Streit mit einer Geliebten, die eigenen Haare, der Schweiß, Nachtgestalten –, über das sich das obachtete Hier und Jetzt in die Vergangenheit und Zukunft verzweigt: hin zum Geruch der Großmutter, zur Kindheit und zur bereits bedrohlich mahlenden »Knochenmehlmaschine«.

Leicht im Rhythmus, stark in den Bildern, empfindsam und ungeschminkt im Erzählen: Gedichte vom Altern, von der Lebenslust und all dem, was war, nicht war und hätte sein können.

Herzrasen
Herzrasen, fünf Minuten, vermindert
um den Gedanken, der das Leben anhält:
in der Kehle das Pulver, auf der Brust
die Elektroden, sieben Zwerge, so vieles messend,
samt Aufzeichnungsgerät an der Hüfte.
Und der Sprung ins Gras, im Glas,
Spinnweben vorm Auge, Augenschwäche,
die nach innen führt, zu den Reizleitungen,
an denen jemand herumwerkt, unerkannt,
ein Saboteur, der nicht spricht, aus dem Hinterland
aufgekommen ein Störwind, aus der Sauna,
Sahara: es reift ein Gedanke,
er streift die Hochspannungsdrähte,
klinkt sich ein in den globalen Transport
in ungeduldigen Transmittern, codiert


E. A. Richter, »Obachter«. Gedichte
Originalausgabe
160 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 20,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902113-53-5
Erschienen im September 2007


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