Schwarzes Land

Marko Pogačar

Aus dem Kroatischen von Alida Bremer
Zweisprachige Ausgabe

»Marko Pogačar ist ein Wunder. Es ist nicht völlig klar, wer er ist, wer ihn ersonnen hat und warum, es ist nur offensichtlich, dass er da ist, unabkömmlich«, schreibt Tomaž Šalamun über den jungen Dichterkollegen, der vielen als »Rimbaud der kroatischen Poesie« gilt. Mit bisher vier veröffentlichten Gedichtbänden wurde Pogačar binnen kürzester Zeit zur Schlüsselfigur der neuen Lyrikszene Südosteuropas.

Sein jüngster Band »Schwarzes Land« ist eine sinnliche und zugleich geistreiche Auseinandersetzung mit den Bedingungen, unter denen der Mensch Freiheit gewinnt. Geschichte, so zeigt Pogačar, ist die Aufgabe jedes Einzelnen, eine intime Sache, um die man kämpfen muss – sie ist der »Raum unter den Fingernägeln«. Aus Motiven der Nacht, des Feuers, des Windes, des Rauchs, des Teers flicht Marko Pogačar ein düster funkelndes Labyrinth der Gegenwart.

ÜBER DAS SCHLECHTE WETTER

Das ist gar kein Frühling.
nur die Blüten winden sich stumpf aus ihren Kelchen
und die Bienen besingen das Linoleum und den Teppich des Windes. die Luft,
tief und schwer, schleicht unter die Gräser und hebt die
Leiber der Mäuse an: kaum ist ein Tag vergangen, schon
reißen sie den Körper auf wie einen Vorhang und verstreuen
Knochen und Innereien. das ist gar kein Frühling.
nur die Wasser in den Flüssen wachsen und die Speisekammern
warten darauf, dass öde Neuheiten sie füllen. gelegentlich gurren Götter
aus den Gräbern, wie Tauben. auch ihr Volk
sticht einem anderen Volk die Augen aus, allerdings nachts, das geschieht
nachts. tagsüber sprießt es und die Vögel kehren in die Stadt zurück: Drähte,
schwer vom Gesang, und die Erde, fruchtbar vom Kot, schnüren die Kehle zu.
Hecken kriechen zum Himmel. Kellner tragen Tische ins Freie
und Fliegen fallen in die Gläser. das Grün erlernt schnell seine Sprache –
das zuverlässige Vokabular der Zypressen, die Buchstaben der Buchen und Birken;
sogar die Erde unter den Nägeln ist bereit zu blühen. und trotzdem ist das kein
Frühling. das ist nichts. es gibt keinen Frühling ohne dich, Schluss damit
Schluss mit den Lügen.


Marko Pogačar, »Schwarzes Land«
Gedichte
Deutsche Erstausgabe. Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Kroatischen von Alida Bremer
152 Seiten, Französische Broschur, Fadenheftung
€ 20,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-11-3
Erschienen im März 2015


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