Aus dem Kroatischen von Alida Bremer
Zweisprachige Ausgabe
»Expeditionen in ein absolutes und radikales Neuland der Metaphern. Eine glühend-obsessive Neuvermessung aller Welt-, Kultur- und Alltagsdinge reißt uns mit: Pathos und Groteske, strömende Kontingenz, schwarze Sirenentöne«, schrieb Andreas Nentwich im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels über Marko Pogačars Gedichte.
In »Glossen gegen Gott« ist diese Umordnung des Vertrauten einem Jahreskreis eingeschrieben, in den Szenen einer erkaltenden Beziehung eingestreut sind: »zu lieben, das ist das Leichteste, alles andere ist so schwer«. Doch auch wenn andere Stimmen, wie der Sammler der Sonntage, ein Handbuch für Viehzucht und Sport, Orangen oder ein anarchistisches Feuerzeug zu Wort kommen, dreht sich alles um den glühenden Moment und die stete Veränderung. Dazwischen taucht immer wieder das Motiv der Wunde auf – eine obsessive Suche nach der je eigenen Wunde, sowohl bei sich als auch bei anderen, einer Wunde, die man niemandem abschauen kann, »das offene Fenster, durch das die Welt hineintritt«.
Pogačar bezaubert mit einem Feuerwerk an feinsinnigen Beobachtungen aus unerwarteten Perspektiven.
WAS HAT DIE NIERE GESAGT
Ich habe das erschaffen.
so wie der Wind die Angst, die Angst den ersten Gott erschuf,
sein Wunsch, eine Band zu haben und sie Wham! zu nennen,
den nächsten, und die Götter die Leeren und die Gehorsamen.
so wie der Staudamm den See erzeugt, der See die Wunde,
die Wunde das kostbarste Wort.
ich hatte keine schlechten Absichten, ich wusste
eigentlich nicht, was ich mit diesem Antrieb anstellen sollte.
als hätte sich der Schöpfungswahn in alles eingeschlichen.
die Seuche raffte mich dahin wie der Mittagsschlaf:
ich wirtschaftete, so wie ich konnte, drehte Schallplatten um,
sparte mir vom Munde ab, um es aus nichts zu erschaffen,
das Wort faulte zu einem schmalen Sinnbild.
jedes Zusammenziehen ist Leidenschaft. jede Leidenschaft ruft den Tod herbei.
ich war mir am Ende all dessen bewusst, ich tat all das mit reinem Gewissen:
sobald ich sie gehört hatte, wusste ich, dass ich sie aufhalten muss.
wer kann, der soll seinen Beitrag leisten. jeder soll den eigenen Garten bestellen.
meine Steine überlasse ich niemandem.
Marko Pogačar, »Glossen gegen Gott«
Gedichte
Deutsche Erstausgabe. Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Kroatischen von Alida Bremer
120 Seiten, Hardcover, Fadenheftung, mit Schutzumschlag und Lesebändchen
€ 22,– inkl. MwSt
ISBN 978-3-902951-70-0
Erschienen im November 2022